Enlightenment in German (Nibbana und das Gleichnis vom Feuer)
Namo tassa bhagavato arahato sammāsambuddhassa”
„Verehrung ihm, dem Erhabenen, Heiligen – Vollkommen Erwachten”.
Ayoghana hatasseva jalato jātavedaso anupubbūpasantassa yathā na ñāyate gati
Evaṃ sammā vimuttānaṃ Kāmabandhoghatārinaṃ paññāpetuṃ gati natthi pattānaṃ acalaṃ sukhaṃ.5
– Ud. p.93 [Ud 8, 10]
Liebe Zuhörer,
jene Erlösung aus dem Saṁsāra,6 die der Buddha entdeckt hat, nennen wir im Allgemeinen „Nibbāna“. Bei manchen Begebenheiten hat der Buddha besondere Mühe darauf verwendet, der Welt zu ver- deutlichen, um was für eine Art von Befreiung es sich dabei handelt. Das Dahinscheiden des Heiligen Dabba Mallaputta war eine solche Begebenheit. Das Thema für unseren heutigen Vortrag ist ein Strophenpaar, das anlässlich jenes Ereignisses geäußert wurde.
Dabba Mallaputta war einer der wunderbaren Nachfolger des Buddha. Sowohl sein Anfang als auch sein Ende waren bemerkenswert. Er wurde geboren, nachdem seine Mutter gestorben war. Das heißt, seine Mutter starb infolge einer plötzlichen Krankheit, während er sich noch im Mutterleib befand. Verwandte trugen den toten schwan-
5 AÜ Die Strophen werden später im Text (S. 4) übersetzt.
6 AÜ „Saṁsāra“ ist die Bezeichnung für den sich wiederholenden Kreislauf des Entstehens und Vergehens von Existenz.
geren Körper der Mutter zur Verbrennungsstätte und legten ihn auf den Scheiterhaufen. Nachdem sie ihn angezündet hatten, platzte der Leib auf und das Kind fiel auf einen darunterliegenden Holzscheit. Da das Kind noch lebte, hoben es die Verwandten auf und übergaben es der Großmutter des Kindes. Es wird berichtet, dass das Kind
„Dabba“ genannt wurde, weil sein Leben gerettet wurde, indem es auf einen Holzscheit fiel. „Dabba“ ist eine Bezeichnung sowohl für Holz wie auch für Material. Weil er zu der Familie der Maller gehörte, wurde er Mallaputta genannt – Sohn der Maller.
Als Dabba sieben Jahre alt war, besuchte der Buddha das Land der Maller und weilte im Mangohain von Anupiya. Als Dabba den Buddha sah, wurde er von Vertrauen ergriffen und bat um die Erlaubnis zur Ordination. Bei der Ordinationszeremonie erhielt er von seinem Unterweiser als Teil der Prozedur ein Meditationsthema, das „Haut- Pentade“ (tacapañcaka) genannt wird. Dabei geht es um die ersten fünf abstoßenden Teile des Körpers, nämlich Kopfhaare, Körper- haare, Nägel, Zähne und Haut. Dabba vergegenwärtigte sich sein Meditationsthema, während ihm der Kopf geschoren wurde. Es heißt, dass er die Frucht des Stromeintritts (sotāpattiphala)7 er- reichte, als die Rasur begann, und zeitgleich mit deren Ende die Heiligkeit. Er war also bei seiner Ordination schon ein Heiliger, da er das erhabene Ziel bereits erlangt hatte, während ihm der Kopf geschoren wurde.
Wegen dieser außergewöhnlichen Verwirklichung dachte sich der Ehrwürdige Dabba Mallaputto, während er in der Abgeschiedenheit weilte: „Der Zweck, um dessentwillen ich in die Hauslosigkeit ging, ist schon erfüllt. Was wäre, wenn ich einige Pflichten zum Nutzen der Ordensgemeinschaft übernehmen würde?“ Bei diesem Gedanken beschloss er, darum zu bitten, dass ihm Gelegenheit gegeben würde, der Gemeinschaft zu dienen, indem er die Verantwortung für zwei Ämter übernähme, nämlich für das des Zuweisers von Unterkünften an Gastmönche (senāsana paññāpaka) und für das der Zuteilung der entsprechenden Anzahl an Mönchen zu Essenseinladungen (bhattudde- saka). Als er seinen Wunsch vortrug, willigte der Buddha belobigend ein, und so wurden ihm die beiden Aufgaben mit der formellen
7 AÜ Die erste der vier Heilsgänger-Stufen zur Verwirklichung von Nibbāna. Einem Stromeingetretenen stehen noch maximal sieben weitere Leben bevor.
Bestätigung der Ordensgemeinschaft übertragen. Danach oblag es der Verantwortung des Ehrwürdigen Dabba Mallaputta, Gastmönchen ihre Unterkünfte zuzuteilen und die erforderliche Anzahl an Mönchen zu bestimmen, die den Essenseinladungen der Laienanhänger folgen sollten.
Er bewährte sich gut in der Ausführung dieser beiden Pflichten. Insbesondere im Hinblick auf die Pflicht der Unterbringung der Gastmönche wird berichtet, dass er sie sehr wirkungsvoll verrichtete, denn er tat es nach deren Anlagen und Vorlieben. Er sorgte dafür, dass Gastmönche, die sich der wortgetreuen Bewahrung der Unterweisun- gen (suttantikā) widmeten, zusammen unterkamen und hegte den Wunsch: „Mögen sie die Nacht mit der Rezitation von Lehrreden ver- bringen.“ Wenn Mönche kamen, die Experten in den Ordensregeln waren, brachte er sie gemeinsam unter und dachte: „Mögen sie die Nacht mit Gesprächen über die Ordensregeln verbringen.“ Wenn ge- wandte Sprecher der Lehre kamen, brachte er sie gemeinsam unter und dachte: „Mögen sie die Nacht mit Gesprächen über die Lehre verbrin- gen.“ Wenn geschwätzige Mönche zu Besuch kamen, die sich ober- flächlichen Gesprächen hingaben, solche, die nur in die Hauslosigkeit gezogen waren, um ihre Bäuche zu mästen, lies er sie zusammen logieren mit dem Gedanken: „Sollen sie doch die Nacht in ihrer gewohnten Leichtfertigkeit verschwenden.“
So führte der Ehrwürdige Dabba Mallaputta nicht nur die methodi- sche Zuteilung der Unterkünfte entsprechend der jeweiligen Persön- lichkeit aus, sondern er hatte sich auch eine außergewöhnliche Technik angeeignet, solche Mönche, die spät am Abend eintrafen, zu den für sie bestimmten Unterkünften zu führen. Er nutzte dann seine Verwirklichung des Feuer-Kasinas,8 und mit jenem Licht führte er diese Mönche zu ihren Unterkünften. Es heißt, dass einige Gast- mönche absichtlich verspätet ankamen, um die Wunderkräfte des Ehrwürdigen Dabba Mallaputta zu sehen. Wenn sie nach ihren Vor- lieben gefragt wurden, nannten sie entfernt liegende Unterkünfte wie Gijjhakūṭa (den Geiergipfel), den Berg Isigili9, den Vebhara Berg, den
8 AÜ Eine spezielle Meditationstechnik zur Erreichung von Vertiefungen. In den Suttas werden zehn Kasinas erwähnt: Erd-, Wasser-, Feuer-, Wind-, Blau-, Gelb-, Rot-, Weiß-, Raum- und Bewusstseinskasina. (D 33)
9 AÜ Die Schlucht der Seher
Antilopenhain Maddakucchi oder den Mangohain des Jīvaka. Und wie brachte sie der Ehrwürdige Dabba Mallaputta in der Dunkelheit der Nacht dorthin? Er ging in eine Vertiefung (jhāna) und beschloss, seinen Daumen in ein hell leuchtendes Licht zu verwandeln, und ihn vor sich haltend, wurde so der Weg sichtbar. In jenem Licht wurde den Mönchen ihre Unterkunft gezeigt. Wegen seiner beeindruckenden Pflichterfüllung bezeichnete ihn der Buddha als den Besten unter den Mönchen, die für die Unterbringung von Gastmönchen sorgten.
Obwohl er ein so hochtalentierter Mönch war, hatte er eine kurze Lebensspanne, vermutlich infolge früheren Karmas. Er war noch ein junger Mann, als die Zeit für sein parinibbāna (endgültiges Hinschei- den) kam. Der Buddha weilte zu der Zeit im Bambushain in Rājagaha. Der Ehrwürdige Dabba Mallaputta trat zum Erhabenen heran und verkündete ihm: „Vollkommener, die Zeit ist für mich gekommen, ins parinibbāna einzugehen.“ Der Buddha antwortete ihm einfach nur:
„Dabba, magst Du tun, wovon auch immer Du meinst, dass es an der Zeit sei.“ Sobald der Erhabene sein Einverständnis erteilt hatte, verehrte Dabba den Buddha, nahm seinen letzten Abschied, erhob sich in die Luft und ging, die Haltung des Kreuzsitzes einnehmend, in die Einigung des Feuer-Kasinas; hieraus wieder emporkommend, erlangte er parinibbāna. Das Außerordentliche an seinem Dahin- scheiden war, dass er kraft seiner Beherrschung des Feuer-Kasinas seinen Körper in Flammen aufgehen ließ und sich selbst verbrannte. Es war eine derart vollkommene Feuerbestattung, dass am Ende keinerlei Asche oder Ruß übrig blieben. Der Ehrwürdige Dabba Mallaputto hinterließ uns nicht einmal irgendwelche Reliquien, die wir verehren könnten.
Dies war ein so bemerkenswertes Ereignis, dass der Buddha bei dieser Gelegenheit eine Lobrede der Freude äußerte. Wohingegen heutzutage solche Begebenheiten eher nach Beileidsbezeugungen verlangen, finden wir hier den Buddha, wie er die folgenden Strophen der Freude zum Ausdruck bringt.
Abhedi kāyo nirodhi saññā vedanā sītibhaviṃsu sabbā vūpasamiṃsu saṃkhārā viññāṇaṃ atthamagamā
Der Körper zerstört, Wahrnehmungen beendet, Alle Gefühle abgekühlt,
Vorbereitungen zur Ruhe gebracht, Kam das Bewusstsein zum Ende.
– Ud. p. 93 [Ud 8, 9]
Dieses Ereignis war von so großer Bedeutung, dass der Buddha den Mönchen im Jetavana-Kloster von diesem Vorfall erzählte. In Erinne- rung daran nahm er ihn zum Anlass um die folgenden Strophen zu sprechen, als er von Rājagaha in Sāvatthī angekommen war.
Ayoghana hatasseva jalato jātavedaso anupubbūpasantassa yathā na ñāyate gati
Evaṃ sammā vimuttānaṃ kāma bandhoghatārinaṃ paññāpetuṃ gati natthi
pattānaṃ acalaṃ sukhaṃ – ibid.
Die beiden Strophen sind von solcher Tiefe, dass sich die tradi- tionellen Kommentatoren mit ihrer Interpretation schwertaten. Das Gleichnis in der ersten Strophe scheint sie verwirrt zu haben. Wir verstehen es so, dass es hier um ein Feuer geht, dessen Flamme einem rotglühenden Block aus Eisen ähnelt. Die beiden Strophen könnten daher folgendermaßen wiedergegeben werden:
„Genauso wie bei einem Feuer,
das wie ein rotglühender Eisenblock brennt, wenn es nach und nach verlischt,
lässt sich nicht sagen, wohin es ging.
Ebenso gibt es für die vollkommen Erlösten, die die Flut sinnlicher Fesseln überquert und unerschütterbares Glück erreicht haben, keinen Pfad, der sich bestimmen lässt.“
Nun geht es also um die Frage des parinibbāna. Das parinibbāna des Ehrwürdigen Dabba Mallaputta ist ein musterhaftes Beispiel. Warum? Weil er auch nicht das Geringste hinterließ. Nicht einmal für
sich selbst – so scheint es – hat er irgend etwas aufbewahrt, das sich mitnehmen ließe, denn alles, was er hatte, nämlich Form, Gefühle, Wahrnehmungen, Vorbereitungen und Bewusstsein, fand ein Ende. Er hinterließ uns keinerlei Überreste wie etwa Reliquien, die sich verehren ließen. Es war in jeder Hinsicht ein vollkommenes pari- nibbāna. Das muss der Grund gewesen sein, warum der Buddha darüber bei zwei Anlässen Lobreden der Freude äußerte, wie wir gesehen haben.
Aber wenn wir dies sagen, überkommt manch einen vielleicht ein Anflug von Angst. Warum? Weil wir so oft auf Trauerschleifen in fettgedruckten Lettern lesen:
„Möge der verstorbene Herr ,Soundso‘ Nibbāna erreichen“
Im Allgemeinen glauben wir, dass Herr „Soundso“ nach seinem Tod Nibbāna erreicht, welches er hier nicht erreichen konnte. Es wird an- genommen, dass es etwas sei, das „im Jenseits“ geschieht. In der Tat glauben mehr als 95% derer, die über Nibbāna nachdenken, schluss- folgern, spekulieren und predigen, an ein „Nibbāna des Herrn Soundso“: Für sie landen alle Buddhas und Heiligen, oder von wem auch immer behauptet wird, er habe Nibbāna erlangt, in einer heili- gen Festung, die Große Stadt des Köstlichen Nibbāna genannt wird (Amā-maha-nivanpura). „Nur fragt uns nicht danach, wo sie liegt“, sagen sie, „aber es ist gewiss unsere wahre Bestimmung. Jeder von uns sollte versuchen, dorthin zu gelangen.“ Dies ist die Geschichte, die sie uns erzählen.
Wie weit es gerechtfertigt ist, diese Geschichte zu glauben, ist jetzt für uns die Frage. Wir können eine Antwort finden, indem wir die beiden bereits zitierten Strophen analysieren:
„Ayoghana hatasseva – jalato jātavedaso“
Wir haben hier das Wort „ghana“ (kompakt, dicht, fest), das eine tiefe Bedeutung hat. Genau genommen liegt der Grund für die ganze Verblendung bei den Weltlingen10 in der Persönlichkeitsansicht, die sich unnachgiebig an das Dasein klammert. Sie sieht die eine oder andere der fünf Daseinsgruppen – Form, Gefühl, Wahrnehmung, Vorbereitungen und Bewusstsein – als Selbst an. Insbesondere hängt
10 AÜ „Weltling“ ist eine Person, die noch keine der 4 Nachfolger-Stufen verwirklicht hat
sie am Bewusstsein als Selbst – unsichtbar wie es ist. So sitzen wir in der Patsche. Auf der einen Seite wollen wir dem Leiden in dieser Existenz ein Ende machen. Auf der anderen Seite wollen wir auf die eine oder andere Art nach wie vor existieren. Wir arbeiten hier mit einem Widerspruch, indem wir auf zwei Hochzeiten tanzen wollen. Einerseits laufen wir vor dem Dasein weg und andererseits jagen wir ihm hinterher. Um unseren Standpunkt irgendwie zu rechtfertigen, versuchen wir, mit einem schlauen Taschenspielertrick eine Stadt des Todlosen zu postulieren.
Aber der Buddha hat hier mit dem Satz über das Feuer, das aus- gegangen ist, einen bedeutungsvollen Hinweis gegeben: Ayoghana hatasseva. Ein loderndes Feuer erscheint so kompakt (solide) wie ein rotglühender Block aus Eisen. Der Eindruck von Kompaktheit (ghana saññā) gibt die verblendete Sichtweise des Weltlings wieder. Selbst eine solch „realistische“ Flamme kann nicht aufgespürt werden, wenn sie ausgegangen ist. Mit Hilfe der rhetorischen Frage
„Wohin geht ein Feuer, wenn es ausgegangen ist?“ beantwortet der Buddha die Fragen, die sich auf den Zustand eines Heiligen nach dessen Tod beziehen.11 Kurz gesagt, scheinen viele die Tatsache zu vergessen, dass die offensichtliche Bedeutung des Ausdrucks
„Nibbāna“ Erlöschen ist, wie beispielsweise das Erlöschen eines Feuers.
Dem Buddha zufolge ist die gesamte Existenz mit einem Feuer ver- gleichbar. Gesetzmäßig hängt ein Feuer von dem einen oder anderen Nährstoff ab, was upādāna genannt wird. Der Begriff bedeutet so- wohl Ergreifen als auch Nährstoff. Ein Feuer ergreift, erfasst, packt oder hält an dem Nährstoff fest, den es verzehrt. Sein Erlöschen – der buchstäbliche „Aus-Gang“ – ist Nibbāna. Für den Buddha ist Nib- bāna kein Bestimmungsort nach dem Tod. Den überzeugendsten Beleg dafür gibt er uns mit seinem „Löwenruf“ im Udumbarika Sīhanāda Sutta.12
„Buddho so bhagavā bodhāya dhammaṃ deseti, Danto so bhagavā damathāya dhammaṃ deseti, Santo so bhagavā samathāya dhammaṃ deseti,
11 Beispiel in M I 484 Aggivacchagotta Sutta – M 72
12 D III 54 – D 25:2 Udumbarika Sutta
Tiṇṇo so bhagavā taraṇāya dhammaṃ deseti, Parinibbuto so bhagavā parinibbānāya dhammaṃ deseti.“
„Erleuchtet wie er ist,
verkündet der Erhabene den Dhamma zur Erleuchtung.
Bezähmt wie er ist,
verkündet der Erhabene den Dhamma zur Bezähmung.
Beruhigt wie er ist,
verkündet der Erhabene den Dhamma zur Beruhigung.
Hinübergegangen wie er ist,
verkündet der Erhabene den Dhamma zum Hinübergehen.
Vollkommenen erloschen wie er ist,
verkündet der Erhabene den Dhamma zum vollkommenen Erlöschen.“
Wenn wir den Begriff Buddha als „Erleuchteter“ auffassen (obwohl auch „Erwachter“ ein Aspekt davon ist), dann verkündet er, nachdem er die Erleuchtung erlangt hat, den Dhamma um der Erleuchtung der anderen willen. Bezähmt oder diszipliniert, wie er ist, verkündet er den Dhamma um der Bezähmung oder Disziplinierung der anderen willen. Beruhigt und gestillt, wie er ist, verkündet er den Dhamma, um andere ruhig und gestillt werden zu lassen. Die Flut (des Sinnen- begehrens, Werdens oder Daseins, der Ansichten und der Unwissen- heit) überquert habend, verkündet er den Dhamma, um andere die Flut überqueren zu lassen. Aber nun kommt die Äußerung, die problematisch erscheinen mag. Vollkommen erloschen, wie er ist, verkündet der Erhabene den Dhamma um des vollkommenen Erlöschens willen. Wenn es so wäre, wie im Allgemeinen geglaubt wird, dass sich der Begriff parinibbāna auf einen Zustand nach dem Tode bezieht, wie könnte der Buddha lehren, nachdem er gestorben ist? Dies ist der klare Beweis für die Tatsache, dass parinibbāna ein Zustand ist, der genau in dieser Welt verwirklicht wird – hier und jetzt, diesseits und nicht jenseits.
Auch was Heilige anbelangt, ist dies die Regel. Sogar im Fall des ehrwürdigen Dabba Mallaputta, wenn es von ihm heißt, dass er sich zuerst für das Feuer-Kasina entschied und dann parinibbāna erlangte, dann müssen wir darunter verstehen, dass er seinen Geist in jenen befreiten Zustand führte. Dann setzte er seinen Körper in Flammen, so als zündete er ein abgelegtes Kleidungsstück an. Das
erklärt, warum anstatt von einem Erhitzen von einem Erkalten aller Gefühle gesprochen wird. Dieses Erkalten vollzog sich aufgrund des parinibbāna. In der Tat ist genau das der Zustand von parinibbāna.
Viele hegen jedoch die Ansicht, dass Buddhas, Pacceka Buddhas13 und Heilige, wenn sie hier verscheiden, irgendwohin in einen nicht beschreibbaren Bereich gelangen und dort weilen. Zum Beweis berufen sie sich auf eine bestimmte Lehrrede – nämlich das Pahārāda Sutta.14 Wir finden dort ein Gespräch zwischen dem Asura- König Pahārāda und dem Buddha. Zuallererst zählt Pahārāda, der Asura-König, acht wunderbare und hervorragende Eigenschaften des Weltmeeres auf, an welchen sich die Asuras erfreuen. Von diesen wollen wir hier die fünfte herausgreifen, weil sie für unsere Diskussion von Bedeutung ist.
Pahārāda sagt, selbst wenn alle Flüsse der Welt in den Ozean flössen und Ströme von Regen darauf fielen, gäbe es keine offensichtliche Zunahme oder Abnahme darin, und an dieser Eigenschaft des Ozeans erfreuen sich die Asuras. Indem er seine Lehrdarlegung (wörtlich Lehre und Schulung – dhammavinaya) mit dem großen Ozean vergleicht, zählt nun der Buddha acht wunderbare und hervorragende Qualitäten auf, die in seiner Befreiungslehre gefun- den werden können. Daraus wird hier der fünfte Sachverhalt folgen- dermaßen ausgedrückt:
„Ebenso wie es keine Zunahme oder Abnahme der Wasser- menge im großen Ozean gibt, selbst wenn alle Flüsse der Welt in ihn hineinflössen und Ströme von Regen vom Himmel auf ihn herabfielen, ebenso auch gibt es, selbst wenn viele Mönche in das Nibbāna-Element ohne Überrest (anupādisesā nibbānadhātu) verscheiden, keine Zunahme oder Abnahme im Nibbāna-Element ohne Überrest.“
Auf Grund dieses Vergleichs versuchen viele Gelehrte zu argumen- tieren, dass das anupādisesā nibbānadhātu eine Art räumliches Ziel für die Buddhas und Geheilten sei, nachdem sie den Körper abgelegt haben; aber der Trugschluss dieser Argumentation offenbart sich,
13 AÜ Pacceka-Buddha = Ein Einzelerwachter ist eine Person, die aus sich selbst heraus zur vollkommenen Heiligkeit gelangt ist, aber weniger Fähigkeiten als ein Vollkommen Erwachter (sammā sambuddha) besitzt.
14 A IV 197 – A VIII:19 Das Gleichnis vom Weltmeer
wenn wir die achte wunderbare und hervorragende Eigenschaft dieser Darlegung untersuchen.
Als die achte wunderbare und hervorragende Eigenschaft des großen Ozeans stellt Pahārāda fest, dass sich darin gewaltige Geschöpfe befinden wie Wale, Haie, Asuras, Nāgas und Gandhabbas. Der Buddha sagt zum Vergleich, dass es in seiner Befreiungslehre ebenfalls gewaltige Geschöpfe gibt. Wer sind sie? Die acht edlen Personen in der Gemeinschaft, nämlich der Stromeingetretene; der- jenige, der auf dem Weg ist, die Frucht des Stromeintritts zu verwirk- lichen; der Einmalwiederkehrer; derjenige, der auf dem Weg ist, die Frucht der Einmalwiederkehr zu verwirklichen; der Nicht- wiederkehrer; derjenige, der auf dem Weg ist, die Frucht der Nicht- wiederkehr zu verwirklichen; der Arahant;15 derjenige, der auf dem Weg zur Heiligkeit ist. Nur diese acht Edlen werden genannt. Der Heilige, der verstorben ist oder parinibbāna erreicht hat, wird hier nicht erwähnt, obwohl dies der geeignete Rahmen dafür wäre. Er glänzt scheinbar durch Abwesenheit. Woran liegt das? Wie haben wir die problematische fünfte Qualität in dieser Befreiungslehre zu verstehen?
Nehmen wir einmal an, dass auf dem offenen Meer Strudel auftreten. Wenn sie sich aus dem einen oder anderen Grund wieder auflösen und verschwinden, kommt es dadurch nicht zu einer Verminderung oder Vermehrung der Wassermassen im Weltmeer.16 Nun gibt es ein sehr bedeutsames Konzept in der Lehre, nämlich dass Existenz eine Pervertierung oder abwegige Verdrehung ist. „Was die Weltlinge für das Wahre halten, das ist für die Edlen Unwahres.“17 Der Buddha hat diese Tatsache bei einer bestimmten Begebenheit erklärt. Obwohl die Welt dem Dasein eine solche Wichtigkeit zuschreibt, zeigt der Buddha auf, dass es sich dabei nur um eine abwegige Verdrehung der Sachlage handelt. Ihm zufolge sind alle Konzepte von Geburt, Tod und
15 AÜ Der Arahant ist in der buddhistischen Terminologie der „Heilige“ oder
„Geheilte“, einer, der das höchste Ziel (Nibbāna) verwirklicht hat. Im folgenden Text wird in der Übersetzung wahlweise der Begriff „Arahant“ oder „Heiliger“ verwendet. Der Ehrwürdige Ñāṇananda lässt den Begriff unübersetzt.
16 Bemerke, dass das Gleichnis vom Strudel in einem perfekten Zusammenklang mit den Implikationen der Aussage steht „na tena nibbānadhātuyā ūnattaṃ vā pūrattaṃ vā paññāyati“ – „dadurch ist keine Minderung oder Mehrung im Nibbāna-Element zu erkennen.“
17 Sn p. 147 Dvayatānupassanā Sutta – Sn 3:12
Existenz auf einen Wirbel oder einen Strudel zurückzuführen, der im Pāḷi „vaṭṭa“ genannt wird. Wie er es ausdrückt: ettāvatā vaṭṭaṃ vaṭṭati itthattaṃ paññāpanāya18 – ein Wirbel wirbelt insoweit, als dadurch eine „Diesheit“ (beispielsweise dieser Zustand der Existenz) bestimmt wird. Es ist, als solle eine Stelle angezeigt werden, an der sich ein gefährlicher Strudel befindet. Im Meer besteht nur dann die Möglichkeit, auf „diese Stelle“ und „jene Stelle da“ hinzuweisen, wenn dort Strudel vorhanden sind. Ein Strudel ist aber die Manifestation einer pervertierten Aktivität. Er entsteht, wenn eine Gegenströmung im Wasser versucht, sich in entgegengesetzter Richtung zum Haupt- strom zu bewegen und dieser Versuch vereitelt wird: das Wasser dreht sich lediglich und wird zurückgedrängt, und alsbald wieder- holt sich der Vorgang. Sofern sich kein Erfolg einstellt, windet es sich abwärts, um einen Wirbel oder einen Strudel mit einem Abgrund zu formen.
In der gleichen Weise „ignorieren“ die Wesen den wahren Stand der Dinge in der Welt. Getrieben von Unwissenheit und Gier, geht ihr Be- wusstsein auf die Suche nach Beständigkeit in einer Welt der Ver- gänglichkeit, nach Schönheit in einer Welt der Hässlichkeit, nach Freude in einer Welt des Leidens und nach einem Selbst in einer Welt des Nicht-Selbst. Aufgrund dieser abwegigen Verdrehung der Dinge kommt dieser Strudel oder Wirbel einer Person zustande. Selbst der Buddha war als Bodhisatta ein Strudel im Saṁsāra. Ebenso verhält es sich mit Pacceka-Buddhas und Heiligen. Am Ende sehen sie aufgrund ihrer Weisheitskraft die Sinnlosigkeit dieser wirbelnden Runde. Wenn die Nichtigkeit dieses Kreisens zwischen Bewusstsein und Name-und-Form verstanden wird und der Geist davon entwöhnt ist, löst sich der Strudel auf. Wie viele Strudel sich im Ozean auch immer auflösen, gibt es keine Ab- oder Zunahme im Wasser. Es ist dieses Gleichnis vom Strudel, welches die Antwort auf die Frage nach dem nachtodlichen Zustand des Geheilten in sich birgt.
Die Antwort ist bereits in der Aussage enthalten „Das Feuer ist erloschen.“ Wie lächerlich ist es, daraus zu schließen, dass das Feuer irgendwo hingeht, wenn es ausgeht.19 Wenn man sich fragt, ob das erloschene Feuer in den Osten oder Westen oder Norden oder Süden gegangen sei, ist das eine törichte Frage. Wenn etwas in Abhängig- keit von Ursachen und Bedingungen existiert, muss es, wenn die Ursachen und Bedingungen beseitigt werden, zu dessen Erlöschen kommen. Das Diktum bhavanirodho nibbānaṃ impliziert diese Wahrheit: „Das Beenden der Existenz ist Verlöschen (oder Nibbāna)“.20 Das Aufhören der Existenz selbst ist Nibbāna. Abgesehen von diesem gibt es kein anderes Nibbāna. Worauf uns der Buddha hinweist, ist die Tatsache, dass dieses Nibbāna im gegenwärtigen Leben zu verwirklichen ist.
Deshalb begegnen uns im Ratana Sutta die folgenden Zeilen, die ein jeder Mönch aus seinen Rezitationen kennt.
Khayaṃ virāgaṃ amataṃ paṇītaṃ yadajjhagā Sakyamunī samāhito
na tena dhammena samatthi kiñci …21
„Jene Vernichtung (der Begierde),
jene Ablösung, jene erlesene Todlosigkeit,
die der gesammelte Sakkyer-Weise erreicht hat, mit jenem Dhamma ist nichts vergleichbar.“
Die Erfahrung des Todlosen ist etwas, das hier und jetzt zu ver- wirklichen ist. Aus diesem Grund wird gesagt, dass die Heiligen an dieser „Ambrosia“ teilhaben. Todlosigkeit ist keine Erfahrung, die nach dem Tode kommt.
19 Es gibt eine Flut an buddhistischer Literatur, die im Westen gedeiht und ver- sucht, dieses Feuergleichnis im Licht des Vedischen Mythos zu interpretieren, und zwar dahingehend, dass das erloschene Feuer „ins Verborgene geht“. Obwohl der Buddha die brahmanischen Gesprächspartner mittels der Reductio ad absurdum Methode erfolgreich von der bedingt entstandenen Natur eines Feuers überzeugte, scheinen diese Gelehrten für seine Argumente unzugäng- lich. Schlimmer noch ist, dass Fehlinterpretationen sogar in Form eklatanter Falschübersetzungen geheiligter Texte Zuflucht darin nahmen.
20 Der Begriff „Erlöschen“ gilt dem Westen allgemein als Anathema. Als Euphe- mismus könnte vielleicht „Verlöschung“ „passabel“ sein. Besser als mit dem Feuergleichnis herumzuspielen, wäre es aber, die offensichtliche Schluss- folgerung wohl oder übel zu akzeptieren.
21 Sn v. 225 – Sn V. 227
Indem er seine Gedanken auf diese Todlosigkeit richtete, erfuhr der Ehrwürdige Arahant Dabba Mallaputta keinerlei Todesschmerz. Todesschmerz entsteht durch Ergreifen (upādāna) wegen der Bin- dung an die Daseinsgruppen Form, Gefühl, Wahrnehmung, Vorberei- tungen und Bewusstsein. Wo es nicht einmal eine Spur von Anhaf- tung gibt, ist Erlöschen. Infolge jenes Ergreifens, das bedingt ist durch das Feuer der Begierde, findet Wiedergeburt statt. Bedingt durch Ergreifen ist Existenz.22 Mit dem Aufhören des Ergreifens ist parinibbāna. Das nennt man anupādā parinibbāna. Folglich müssen wir verstehen, was mit parinibbāna gemeint ist, worauf dieses perfekte Verlöschen hinausläuft.
Im herangezogen Zitat heißt es, dass der Erhabene, vollkommen erloschen, wie er ist, den Dhamma um des vollkommenen Ver- löschens willen predigt. Doch heute denkt man, wenn man das Wort
„parinibbāna“ hört, an den nachtodlichen Zustand der Heiligen. In der Tat wird der letzte Gedanke des Arahant mit der Erfahrung der Frucht der Heiligkeit verbunden. Es ist eine Errungenschaft, die ein Arahant schon zuvor erlangt hat. Im Moment des Todes aber kommt sie unweigerlich erneut zum Vorschein. Sie hilft ihm, den Schmerz des Todes zu überwinden. Zusätzlich zu den Versen, die wir oben zitierten, bezieht sich auch die folgende Strophe im Ratana Sutta auf diese Sammlung.
Yaṃ buddha seṭṭho parīvaṇṇayīsuciṃ samādhimānantarikaññamāhu samādhinā tena samo na vijjati …23
Diese reine Sammlung, die der erhabene Buddha besonders gepriesen hat, „Unverzüglichkeit“ wird sie genannt – es gibt keine Sammlung, die mit dieser vergleichbar ist.
Dies ist ebenfalls eine außerordentliche Qualität des Dhamma.
Es scheint, dass keine weltliche Sammlung diese wunderbare Samm- lung, die überweltlich ist, übertreffen kann. Darum wollen wir noch etwas über diese „Unverzügliche Sammlung“ sprechen. Was als der überweltliche Pfad bekannt ist, tritt auf dem Höhepunkt der Einsichts-
22 „upādāna paccayā bhavo“ – S II 1. passim – S 12:1
23 Sn v. 226 – Sn V. 228
erkenntnisse ein, und man erfährt sofort die Frucht davon. Aus diesem Grund wird die Sammlung ānantariko samādhi (Unverzüg- liche Sammlung) genannt. Alle acht Faktoren des edlen achtfachen Pfades treten als ein einziger Gedanke im überweltlichen Moment auf. Er durchtrennt die weltlichen Verunreinigungen und „zeigt das andere Ufer“, wie es ist. Deshalb nennt man ihn den überweltlichen Pfad. Es ist eine außerordentliche Sammlung. Tatsächlich gibt es eine bestimmte Abhandlung,24 die die Außergewöhnlichkeit dieser über- weltlichen Sammlung beleuchtet.
Einmal, als sich der Ehrwürdige Ānanda im Ghosita-Kloster in Kosambi aufhielt, suchte ihn der Ehrwürdige Bhaddaji auf. Im Laufe des Gesprächs stellte ihm der Ehrwürdige Ānanda, so als ob er des- sen Vertrautheit mit dem Dhamma testen wolle, die folgenden Fra- gen:
„Was ist der höchste Anblick? Was ist der höchste Klang?
Was ist das höchste Glück?
Was ist die höchste Wahrnehmung? Was ist die höchste Ebene des Seins?“
Auf diese Fragen gab der Ehrwürdige Bhaddaji Folgendes zur Antwort:
„Es gibt einen großen Brahmā, genannt Vasavatti. Ihn zu sehen, ist der höchste Anblick.
Es gibt eine Gattung von Brahmas, genannt ābhassarā (die Leuchtenden). Von Zeit zu Zeit geben sie einen freudigen Ausruf von sich: „O welche Wonne! O welche Wonne!“ Ihn zu hören, ist der höchste Klang.
Es gibt eine Gattung von Brahmas, genannt subhakinnā. Sie erleben eine wunderbare Glückseligkeit. Das ist das höchste Glück.
Es gibt Brahmas, deren Erreichungszustand die Formlosig- keit im Gebiet der Nichtsheit ist, darin ist das Objekt die
24 A III 202 Baddaji Sutta – A V:170 Die fünf besten Dinge
Wahrnehmung „Nichts ist da. Nichts ist da.“ Deren Wahrnehmung ist die höchste Wahrnehmung.
Es gibt Brahmas, die den Bereich der Weder-Wahrneh- mung-noch-Nicht-Wahrnehmung erreicht haben. Dies ist die höchste Stufe des Seins.“
Als der Ehrwürdige Bhaddaji diese Antworten gab, bemerkte der Ehrwürdige Ānanda einfach: „Freund Bhaddaji, deine Antworten decken sich mit der Ansicht der Mehrheit der Menschen.“ Der Ehr- würdige Bhaddaji verstand den Wink, dass seine Antworten aus der Sicht des Dhamma nicht akzeptabel sind. So bat er den Ehrwürdigen Ānanda, seine eigene Sichtweise zu äußern, und sprach: „Der Ehr- würdige Ānanda ist sehr gelehrt, möge denn deinerseits, Ehrwür- diger Ānanda, eine Erklärung stattfinden.“
Der Ehrwürdige Ānanda gibt nun die korrekten Antworten auf die fünf Fragen.
„Ein Sehen, von welcher Art auch immer, mein Freund, bei dem es zur sofortigen Vernichtung der Einflüsse kommt
– das ist das höchste Sehen.
Ein Hören, von welcher Art auch immer, mein Freund, bei dem es zur sofortigen Vernichtung der Einflüsse kommt – das ist das höchste Hören.
Ein Glück, von welcher Art auch immer, mein Freund, bei dem es zur sofortigen Vernichtung der Einflüsse kommt – das ist das höchste Glück.
Eine Wahrnehmung, von welcher Art auch immer, mein Freund, bei der es zur sofortigen Vernichtung der Einflüsse kommt – das ist die höchste Wahrnehmung.
Ein Sein, von welcher Art auch immer, mein Freund, bei dem es zur sofortigen Vernichtung der Einflüsse kommt – das ist das höchste Sein (die höchste Form von Sein).“
Aus der letzten Aussage hier kann man sich eine Vorstellung darüber machen, was der höchste oder letzte Punkt von Existenz ist. Aus dem Diktum „bhavanirodho nibbānaṃ“ – „Das Enden von Existenz ist Nibbāna“ – geht klar hervor, dass der Buddha das Enden der Existenz
als solches Nibbāna genannt hat. Aber dieses Enden der Existenz ist eine Verwirklichung. Der ultimative Punkt, von dem man in diese Realisation fällt, ist jene Unverzügliche Sammlung (ānantarika samādhi). Unmittelbar nach dieser Sammlung fällt man in das Enden der Existenz, welches Nibbāna ist. Das ist eine VerWIRKLICHung. So ist also das Enden der Existenz selbst Nibbāna – ein Erlebnis hier und jetzt. Es ist nicht Herrn Soundsos „Jenseitiges Nibbāna“, sondern eine vollkommene Erfahrung, die ein Arahant in dieser Welt durchläuft. Diese Erfahrung geschieht als unfehlbarer Ausweg und unfehlbare Zuflucht im letzten Lebensmoment des Heiligen, wie es in der folgenden Strophe des Ratana Sutta ausgedrückt wird:
Khīnaṃ purāṇaṃ navaṃ natthi sambhavaṃ virattacittā āyatike bhavasmiṃ
te khīṇabījā avirūḷhicchandā nibbanti dhīrā yathāyampadīpo
„Khīnaṃ purāṇaṃ“ –
Was es auch immer an vergangenem Karma gab, all das ist erschöpft,
„navaṃ natthi sambhavaṃ“ –
es gibt kein neues Karma, das irgendeine Existenz hervorbringen könnte,
„virattacittā āyatike bhavasmiṃ“ –
der Geist25 ist abgelöst im Hinblick auf zukünftige Existenz,
„te khīṇabījā avirūḷhicchandā“ –
jene, deren Samen (des Bewusstseins) zerstört ist und deren Verlangen nicht mehr austreibt,
„nibbanti dhīrā yathāyampadīpo“–
solche Weisen kommen zum Erlöschen, wie diese Lampe.
Der Bewusstseinssamen des gewöhnlichen Menschen hat jene austreibende Kraft, das Wiederentstehen im Feld des Karma hervor- zubringen, gewässert durch Verlangen, gänzlich gemäß dem Diktum:
„Kammaṃ khettaṃ, viññāṇaṃ bījaṃ taṇhā sineho“26 – „Karma ist das Feld, Bewusstsein der Samen und Verlangen die Feuchtigkeit“. Aber das Bewusstsein eines Heiligen hat die keimende Kraft verloren, und
25 AÜ Siehe Fn 4 – Vielschichtige Bedeutung von „mind“
26 A I 224 – A III:77 Wiedergeburt I
es gibt keine Bewässerung für das Verlangen, um die Begierden wachsen zu lassen. Es ist töricht, die Frage zu stellen: „Wohin geht die Flamme einer Lampe, wenn sie verlischt?“ Wenn das Öl auf- gebraucht und der Docht heruntergebrannt ist, ist vollkommenes Erlöschen da. Es gibt es nichts zu beklagen, denn alles Leiden hat geendet.
Viele Brahmanen, die an einer Seelentheorie festhielten, warfen dem Buddha vor, ein Nihilist zu sein. Aber heutzutage sind es nicht nur solche Brahmanen, sondern selbst Buddhisten erheben uns gegen- über solche Vorwürfe, wenn wir diese kontroversen Themen beleuch- ten. Der Buddha beantwortet diese Vorwürfe freundlich, aber be- stimmt, indem er aufzeigt, dass ihre Kritik der Grundlage entbehrt.
„Sie beschuldigen mich fälschlich für etwas, das ich nicht sage. Denn, ihr Mönche, früher wie auch jetzt mache ich nur eines deutlich, ein Leiden und ein Aufhören jenes Leidens.“
„Pubbecāhaṃ bhikkhave etarahica dukkhañceva paññāpemi dukkhassa ca nirodhaṃ.“27
Die Belehrung über die vier edlen Wahrheiten ist insofern in höchstem Maße wundervoll, als dass die fünf Gruppen des Ergreifens ohne Ausnahme mit Leiden gleichgesetzt werden. Die fünf Gruppen des Ergreifens sind als Ganzes vergleichbar mit der pervertierten Aktivität eines Strudels. Der Strudel wirbelt zwischen Bewusstsein und Name-und-Form („ettāvatā vaṭṭaṃ vaṭṭati“ – insoweit dreht sich ein Strudel). In jenen Lehrreden, in welchen das abhängige Ent- stehen (paṭicca samuppāda) erklärt wird, wird von einem Wirbel oder einem Strudel zwischen Bewusstsein und Name-und-Form gesprochen. Als Ergebnis dieses Kreisens oder Wirbelns findet die Ansammlung der fünf Gruppen des Ergreifens statt. Wie wir wissen, gibt es zunächst ein Bestreben zur Vorwärtsbewegung, wenn ein Wirbel am Wirbeln ist. Wenn die pervertierte Strömung des Wassers in ihrem Versuch, sich der Hauptströmung zu widersetzen, scheitert, dreht sie sich rings herum, und allmählich formt sich mit dieser nach unten gehenden Spirale einen Abgrund. Die in diesem Prozess geschaffene Zentripetalkraft zieht nun wie mit magnetischer Kraft
27 M I 140 Alagaddūpama Sutta – M 22
alles an Ballast und Treibgut zu sich heran, dessen sie habhaft werden kann.
Genauso verhält es sich mit unserem das Bewusstsein besitzenden Körper. Vom Tag der Empfängnis im Mutterleib an und während des Aufenthaltes im Mutterleib stützen wir uns auf die Essenz der Nähr- stoffe und nehmen sie durch die Nabelschnur auf. Wenn dieser Miniatur-Strudel aus dem Mutterleib herauskommt, stützt er sich auf all die Essenz der Welt, nur um die fünf Daseinsgruppen aufzubauen
– nicht nur Nahrung, sondern auch andere Dinge, sogar das Land der Nachbarn und den Besitz von anderen. Dieser personale Wirbel oder Strudel ist es nun, den wir als Wesen oder Person oder Individuum bezeichnen. Selbst die Buddhas und Heiligen sind solche Strudel, die einst durch den Saṁsāra gewirbelt sind. Trotz unserer Verehrung und unseres Respektes für sie können wir uns der Schlussfolgerung nicht entziehen, dass auch sie äonenlang im Saṁsāra herumgekreist sind, bevor sie im Licht der Weisheit durch das Verständnis dieses Geheimnisses Erlösung fanden.
Wie haben sie Erlösung gefunden? Sie haben die Wechselbeziehung zwischen Bewusstsein und Name-und-Form verstanden. Anstatt Name-und-Form als Selbst zu nehmen, haben sie die wechselseitige Verbindung zwischen ihnen erkannt. Wenn Bewusstsein bedingt durch Name-und-Form besteht und Name-und-Form bedingt durch Bewusstsein besteht, kann keines aus sich selbst heraus entstehen. Diesen Sachverhalt illustriert der Ehrwürdige Sāriputta mit dem Gleichnis von den zwei Schilfbündeln.28 Wenn zwei Schilfbündel so hingestellt werden, dass sie, mit den Spitzen aneinander gelehnt, sich gegenseitig stützen, würde, wenn man eines wegzöge, das andere umfallen. Ebenso verhält es sich mit der wechselseitigen Be- ziehung (aññamaññapaccayatā) zwischen Bewusstsein und Name- und-Form. Nur ein Buddha entdeckt dieses Gesetz. Bis dahin fassten Asketen stets dieses oder jenes als Selbst auf. Auch jene, die alles andere als nicht dem Selbst zugehörig verwarfen, sahen doch zumindest die subtile Erreichung der Weder-Wahrnehmung-noch- Nicht-Wahrnehmung als Selbst an. Es war einzig der Buddha, der aufgezeigt hat, dass es nichts gibt, was als eine Einheit angesehen werden kann. Selbst wenn wir etwas eine Sphäre nennen, beinhaltet
28 S II 114 Naḷakaḷāpiya Sutta – S 12:67
es immer noch eine Spannung, einen Widerstreit. Genau das ist das Leiden darin.
Zu welchem Zeitpunkt auch immer nun dieser Konflikt – dieses Kreisen des Strudels – sich beruhigt, bleibt nur der große Ozean. Es folgt keine Abnahme oder Zunahme des großen Ozeans daraus. Somit stimmt alles, was im Pahārāda Sutta über das Weltmeer gesagt wurde, völlig mit dem Bild des Wirbels überein. Abgesehen davon gibt es kein mysteriöses, nicht näher zu bezeichnendes Reich oder einen verborgenen Ort, wo alle Heiligen nach ihrem Tod ewige Ruhe finden.
Um diesen Punkt noch weiter zu klären, wollen wir auf die Aussage zurückkommen, dass die Saat des Bewusstseins ihre Keimfähigkeit verlieren kann (te khīṇabījā … S. 16f.). Es kann keimen, solange es in Name-und-Form verwickelt ist. Das Bewusstsein klammert sich in der Regel an Name-und-Form – sein Objekt. Es gibt einen speziellen Begriff in der Lehre, um dasjenige Bewusssstsein anzuzeigen, das ohne die keimende Kraft ist, nämlich „anidassana viññāṇa“29 – nicht- manifestierendes Bewusstsein. Es gibt in jenem Bewusstsein nichts, das sich manifestieren oder hervortreten kann. Dies ist der Zustand, den der Buddha der Welt als eine außergewöhnliche Sphäre (āyata- na) bekannt gemacht hat.30 Die Welt kennt nur die sechs Sinnes- bereiche – Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper und Geist. Wenn diese in Interaktion mit ihren jeweiligen Sinnesobjekten treten, sprechen wir von Sinnes„bereich“. Dies ähnelt dem Vorgang, der sich in dem oben erwähnten Strudel abspielt. Dem Buddha zufolge ist in eben diesen sechs Sinnesbereichen, in denen sich dieser Vorgang abspielt, die ganze Welt zu finden. Was auch immer die moderne Wissenschaft sagen mag, der Buddha hat verkündet, dass die Welt etwas ist, das in den sechs Sinnesbereichen entsteht und vergeht.31 Aus diesem Grund hat der Buddha erklärt, dass er in diesem klaftergroßen physischen Körper mit seiner Wahrnehmung und dem Geist die Welt aufzeigen kann, das Entstehen der Welt, das Enden der Welt und den Pfad, der zum Enden der Welt führt.32
29 D I 223 Kevadda Sutta – D 11, M I 329 Brahmanimantanika Sutta – M 49
30 Ud 80 – Ud 8.1, M III 219 – M 150
31 S II 73 Loko Sutta – S 12:44
32 S I 61 – S 2.26, A II 49 Rohitassa Sutta – A IV:45
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